Die chronische Erkrankung ME/CFS betrifft immer mehr Menschen in Deutschland. Fachleute sehen einen deutlichen Anstieg der Fälle seit Beginn der Corona-Pandemie. Schätzungen zufolge leben heute rund 600.000 Betroffene mit dem Myalgischen Enzephalomyelitis/Chronischen Fatigue-Syndrom. Diese Krankheit führt bei vielen zu einer schweren Erschöpfung, die das Leben massiv einschränkt.
Inhaltsverzeichnis:
- Carmen Scheibenbogen warnt vor wachsender Zahl von Fällen
- Internationale Konferenz in Berlin
- Fehlende Behandlung und Wissenslücken
- Rehabilitations- und Unterstützungsangebote
- Forschung und Ausblick
Carmen Scheibenbogen warnt vor wachsender Zahl von Fällen
Nach Angaben von Carmen Scheibenbogen, Direktorin des Fatigue-Zentrums der Charité in Berlin, hat sich die Zahl der Erkrankten während der Pandemie verdoppelt. Besonders betroffen seien junge Menschen, die oft nicht mehr arbeiten oder ihr Zuhause verlassen können. Die Krankheit äußert sich durch langanhaltende Erschöpfung, Konzentrationsprobleme und Schlafstörungen, die mindestens sechs Monate anhalten.
Charakteristisch ist die Verschlechterung der Beschwerden nach körperlicher oder geistiger Anstrengung. ME/CFS gilt als schwerste Form von Long Covid. Obwohl sie häufig nach einer Virusinfektion wie SARS-CoV-2 beginnt, war die Krankheit bereits vor der Pandemie bekannt. Doch erst durch Long Covid rückte sie stärker in den Fokus von Öffentlichkeit und Forschung.
Internationale Konferenz in Berlin
Am 12. und 13. Mai trafen sich in Berlin rund 200 Ärztinnen, Ärzte und Wissenschaftlerinnen sowie Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern zu einer Fachkonferenz. Geleitet wurde das Treffen von Carmen Scheibenbogen und Uta Behrends, Leiterin des Zentrums für chronisches Fatigue-Syndrom an der Technischen Universität München und der München Klinik Schwabing.
Diskutiert wurden unter anderem:
- Verbesserte Versorgung der Betroffenen
- Fortschritte in Medikamentenstudien
- Neue Erkenntnisse zu Ursachen und genetischen Faktoren
Ein Ziel der Konferenz war, die unzureichende medizinische Versorgung von ME/CFS-Patientinnen und -Patienten in Deutschland zu thematisieren. Scheibenbogen betonte, dass es bislang weder zugelassene Medikamente noch eine ausreichende Zahl spezialisierter Ärztinnen und Ärzte gibt.
Fehlende Behandlung und Wissenslücken
Das Wissen über ME/CFS ist im Medizinstudium bisher kaum verankert. Dadurch fehlt vielen Ärztinnen und Ärzten die Erfahrung im Umgang mit der Krankheit. Das Interesse an Fortbildungen nimmt deshalb deutlich zu.
Symptome von Long Covid und ME/CFS ähneln sich stark:
- Extreme Müdigkeit und Kraftlosigkeit
- Schwindel und Atemprobleme
- Muskelschmerzen
- Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation beschreibt Long Covid gesundheitliche Beschwerden, die länger als vier Wochen nach einer Infektion anhalten und nicht anders erklärbar sind. Wer diese Symptome bemerkt, sollte frühzeitig medizinische Hilfe suchen.
Rehabilitations- und Unterstützungsangebote
Viele Kliniken haben inzwischen Long-Covid-Sprechstunden und spezialisierte Ambulanzen eingerichtet. Dort erhalten Betroffene Diagnosen und individuelle Therapiepläne. Auch Rehabilitationsmaßnahmen gewinnen an Bedeutung.
Reha-Angebote umfassen unter anderem:
- Stationäre oder ambulante Programme
- Behandlungen bei Lungen- und Nervenstörungen
- Schulungen zum sogenannten „Pacing“, bei dem Betroffene lernen, ihre Kräfte einzuteilen
Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen haben Anspruch auf Reha-Leistungen. Bei drohendem Verlust der Erwerbsfähigkeit ist die Rentenversicherung zuständig. In bestimmten Fällen kann Long Covid als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall anerkannt werden, insbesondere bei Beschäftigten im Gesundheitswesen oder Laborpersonal.
Auch Rentnerinnen, Rentner, Eltern und Kinder können Leistungen beantragen. Je nach Lebenssituation übernehmen Krankenkasse, Rentenversicherung oder Sozialhilfeträger die Kosten.
Forschung und Ausblick
Die Ursachen von ME/CFS und Long Covid sind noch nicht vollständig geklärt. Forschende vermuten genetische und epigenetische Einflüsse, aber auch eine übermäßige Immunreaktion auf Virusinfektionen.
Ziel der internationalen Zusammenarbeit ist es, neue Diagnosemethoden und Medikamente zu entwickeln. Die zunehmende Zahl der Betroffenen zeigt, wie dringend diese Fortschritte gebraucht werden. Fachleute hoffen, dass die Krankheit in Zukunft früher erkannt und besser behandelt werden kann.
ME/CFS bleibt eine der schwersten und am wenigsten erforschten Folgeerkrankungen von Virusinfektionen. Mit wachsender Aufmerksamkeit in Wissenschaft und Politik besteht nun die Chance, Versorgung, Forschung und Aufklärung entscheidend zu verbessern.
Quelle: STUTTGARTER ZEITUNG