Mit Seilspringen, Zauberei und ernsten Worten feierten rund 1000 Menschen das hundertjährige Bestehen der Schule im Sonnigen Winkel in Stuttgart. Am historischen Standort am Kräherwald wurde das ehemalige Reformprojekt mit einem bunten Fest geehrt. Im Mittelpunkt standen die bewegte Geschichte der Einrichtung, ihre reformpädagogischen Ursprünge sowie der Blick in die Zukunft. Kinder, Eltern und Ehemalige erlebten gemeinsam einen Tag voller Erinnerungen und Reflexion.
Inhaltsverzeichnis:
- Friedrich Schieker und die Anfänge der Schule am Kräherwald
- Schulentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg
- Ein Fest für alle Generationen
- Ein Blick nach vorn – mit Blick auf die Vergangenheit
Friedrich Schieker und die Anfänge der Schule am Kräherwald
Die Schule wurde 1925 als Reformschule durch den Pädagogen Friedrich Schieker gegründet. Sie ging aus einer privaten Initiative hervor und wurde zu einem Ort fortschrittlicher Bildungsarbeit. Schieker nutzte das schulreformerische Klima in Stuttgart, um seine Vision einer modernen Volksschule umzusetzen. Bereits 1920 wurde ein Erweiterungsbau geschaffen, der Unterricht in sieben Klassen ermöglichte – einschließlich Latein, Französisch und Englisch.
Die Idee war klar: eine Schule für selbstdenkende, selbstbewusste Kinder. Doch diese Philosophie stand im Widerspruch zu den autoritären Vorstellungen des Nationalsozialismus. 1936 wurde Schieker gezwungen, die Schule zu verlassen. Das Regime misstraute seiner Vorstellung von freier Bildung.
Schulentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach 1945 konnte Friedrich Schieker seine Arbeit nicht mehr aufnehmen. Seine Denkschrift von 1946 über den Wiederaufbau des deutschen Schulwesens blieb weitgehend unbeachtet. Dennoch lebte seine Idee weiter. Der Standort an der Leibnizstraße, heute „Kleiner Sonniger Winkel“, sowie der spätere Bau „Großer Sonniger Winkel“ (1952 eröffnet, 1959 erweitert), tragen das Leitbild eines selbstbestimmten Menschen weiter.
Das Schulkonzept verknüpft Bildung mit demokratischer Teilhabe. Dies ist auch in der Architektur und im pädagogischen Alltag verankert. Die Rektorin Mechthild Spiekermann betonte diesen Zusammenhang während ihrer Rede zum Jubiläum.
Ein Fest für alle Generationen
Das Sommerfest am Samstag war Höhepunkt des Jubiläumsjahres. Rund 1000 Gäste kamen zur Feier auf den Schulhof an der Leibnizstraße. Mitmachstationen wie Sackhüpfen, Zielwerfen oder Zaubershows zeigten, dass auch einfache Spiele generationsübergreifend begeistern können.
Isabel Fezer, Bürgermeisterin für Jugend und Bildung in Stuttgart, überbrachte einen Geburtstagsscheck der Stadt. In ihrer Ansprache unterstrich sie die Rolle der Schule als demokratischer Lernort. Sie erinnerte daran, dass Eltern, Lehrkräfte und Stadtgesellschaft gleichermaßen Verantwortung für gelingende Bildung tragen.
Ein Blick nach vorn – mit Blick auf die Vergangenheit
Auch ehemalige Schülerinnen und Schüler beteiligten sich an den Diskussionen. Thema war, ob man in Deutschland zu lange die Chancen der freiheitlichen Pädagogik vernachlässigt habe. Viele erinnerten sich an prägende Erfahrungen, die ihren weiteren Lebensweg beeinflussten.
Ein gemeinsames Chorprojekt mit allen Kindern bildete den Abschluss des Festes. Die Botschaft lautete: „Auf weitere 100 Jahre!“ Ein Ziel, das mit dem historischen Fundament der Schule im Sonnigen Winkel auf festen Pfeilern steht.
Quelle: Stuttgarter Nachrichten